Gemischte Gefühle

Momentan vergeht kaum ein Tag an welchem nicht der Name Chico fällt. Chico hatte sowohl seinen Halter als auch dessen Mutter durch Bisse tödlich verletzt, so dass sie in der Wohnung, gemäß Obduktionsbericht, verbluteten.

Ich werde bei so einem tragischen Unglück immer sehr hellhörig und frage mich wie es dazu kommen kann.

Die Geschichte hinter allem Leid ist furchterregend. Eine Frau wird vom Ehemann in den Rollstuhl geprügelt. Ihr erwachsener Sohn ist schwer erkrankt und aus Angst vor dem Ehemann wird ein großer Hund angeschafft. Die Nachbarn bemerken, dass die Familie mit dem Hund überfordert ist und melden ihren Verdacht. Zwar kommt es zu zwei Kontrollen und der Halter soll mit Chico beim Veterinäramt vorstellig werden, doch der Termin wird nicht wahrgenommen und die Behörde hakt nicht weiter nach. Es vergehen Jahre bis zu diesem schlimmen Vorfall.

Mich, als Hundehalter, und seit knapp 20 Jahren Listenhundehalter, lässt eine solche Geschichte innerlich zusammenzucken. Meinen ersten Staffordshire Terrier habe ich genau zu Beginn der Rasselisten zu mir geholt und seitdem bemühe ich mich und natürlich etliche dieser Hundehalter ein Vorbild in Sachen Hundehaltung zu sein, weil wir eben noch mehr mit unseren Rassen im Fokus stehen. Immer wenn dann so etwas geschieht, erstarre ich innerlich und fragt mich wieso?! Wieso musste es so weit kommen….

In vielen Fällen kann ich mir das dann nicht erklären. Wenn es dann beispielsweise darum geht, dass ein Hund illegal gehalten wurde, weil der Hundehalter die Rasselisten oder die Gesetze nicht kannte. In vielen Teilbereichen des Lebens, wie auch in der Hundehaltung trägt man als Halter die Verantwortung und dazu gehört, dass ich mich im Vorfeld informiere. Ich kann es beim besten Willen nicht nachvollziehen wieso das nicht gemacht wird.

Ich bin davon überzeugt auch in diesem Fall, der seit Tagen hohe Wellen schlägt, geht es in einem hohen Maß um Verantwortung. Verantwortung der Gesellschaft gegenüber und natürlich dem Hund. Hat es beispielsweise noch mit Tierschutz zu tun, wenn Chico sein Leben in einer Zwingeranlage auf einem Gnadenhof leben würde und Familie gegen Betreuer und Box gegen Zwinger eingetauscht würde? Ist es nicht so, dass genau seine Haltung von vielen Kritikern moniert und als Beißursache gesehen wurde? Oder ist es ein Zeichen von Verantwortung medienwirksam ohne Maulkorb mit dem Hund spazieren zu gehen, jetzt, wo alle Emotionen überkochen?

Dieses fürchterliche Unglück schlägt bereits seit Tagen enorm hohe Wellen und es ist eh schon unfassbar erschreckend wie Menschen miteinander umgehen in den einzelnen Diskussionen in den Sozialen Medien. Ich habe noch nie erlebt wie sich unterschiedliche Menschen in so einer Art und Weise derart mit Worten zerhacken können.

Tierschützer. Menschenrechtler. Hundehasser. Menschenhasser. Extremtierliebhaber. Spekulanten. Viele hetzen gegeneinander. Sie alle haben die eine richtige Meinung zu sagen, die alleinig zu gelten hat. Das jeder Mensch individuell ist und nicht perfekt, dass kommt dabei den wenigsten in den Sinn. Ist das der Spiegel unserer Gesellschaft? Meine Gefühle fahren Achterbahn.

So genial ich es zunächst fand, dass gemeinsam eine Petition gegen die Einschläferung des Hundes ins Leben gerufen wurde, denn ich denke immer noch, dass die Ursache geklärt werden sollte, so schlimm finde ich den teils menschenverachtenden Umgang untereinander.Es macht mich nachdenklich, traurig und wütend, wenn Sätze fallen wie „die Besitzer haben doch den Tod verdient“. Wie menschenverachtend ist denn bitte diese Aussage und wie aggressiv und verbittert ist man als Mensch, um dieses so zu formulieren!?

Wie wollen wir denn das Ansehen unserer Hunde verbessern, wenn wir selber derart aggressiv agieren?!

Ich möchte bewusst gar nicht viel mehr über dieses Unglück schreiben. Jeder sollte einmal in sich gehen und selbst überlegen. Gespannt bin ich übrigens auch, wie viele der Menschen, die Chico ein neues Zuhause geben wollen, letztendlich einem anderen Tierheimhund dieser Rasse oder einem anderen verhaltensauffälligen Hund ein Zuhause geben werden. Wenn nur jeder 5. auch tatsächlich einen Tierheimhund aufnehmen würde…es wäre wundervoll.

Ich habe jedenfalls gemischte Gefühle. Was denkt ihr?

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