Über das Ruhebedürfnis von Hunden, Stress und die Folgen

Die Idee einen Artikel über das Ruhebedürfnis von Hunden zu schreiben ist entstanden, da mich im Zusammenhang mit Leroys Kreuzbandriss mehrere Personen unabhängig von einander angesprochen haben, ob Leroy und Melody mir nun nicht die Bude auseinander nehmen würden. Diese Frage ist berechtigt, denn wenn es um das Wohlergehen des besten Freundes des Menschen geht, wird auf die Frage was der Hund denn am meisten benötigt, oft geantwortet, dass er körperlich ausgelastet sein muss. Das müsste für uns ja jetzt bedeuten, dass meine Hunde nun unendlich leiden und für mich müsste es die Hölle auf Erden sein.

Für alle, deren Hunde bisher von einem Kreuzbandriss verschont geblieben sind, möchte ich kurz erläutern, dass, ein Kreuzbandriss bei einem über 10kg schweren, aktiven Hund, immer eine Operation und infolge dieser eine Rekonvaleszenzzeit von 12 Wochen bedeutet. Diese Zeit ist geprägt von Leinenzwang und ziehen dürfen die Hunde dann an der Leine optimaler Weise auch nicht. Treppen sind tabu und wenn, sollten die Hinterbeine unterstützend angehoben werden. Die gemeinsamen Spaziergänge belaufen sich in der ersten Woche auf 3x 5 Minuten und wenn der Heilungsprozess ganz optimal läuft, können die Gassigänge dann pro Woche um 5 Minuten gesteigert werden. Nach 6 Wochen, also der Hälfte der Zeit, dürfen die Hunde dann wieder 3x 30 Minuten an der Leine spazieren gehen.

Dieses Resümee liest sich vollkommen fürchterlich im Hinblick auf meinen momentanen Alltag mit Leroy und Melody. Wir drei gehen damit aber total relaxed um und ich möchte euch nachfolgende erklären wieso.

Zu der Zeit als nur Leroy bei mir wohnte, habe ich über einen recht langen Zeitraum die Ansicht vertreten, dass Hunde körperlich ausgepowert werden müssen, um glücklich zu sein. Mindestens ein Mal am Tag körperlich auspowern, sonst ist der Hund nicht glücklich, so wird es uns von vielen Seiten suggeriert. Mittlerweile wird ja auch irre viel angeboten von diversen Hundeschulen. Über Agility, Mantrailing, Dogdance usw. ist alles im Programm.

Der Tag von vielen Hunden ist durchgeplant wie das Leben eines Kindes, dessen Eltern das Ziel haben, dass es Klassenbester wird.

Lange Zeit hatte ich bei Leroy auch das Gefühl, dass er sich damit gut fühlt. Er hatte schließlich auch wenig in seinem Leben erlebt und das wollte ich nun aufholen. Mindestens ein Mal täglich zu powern war für uns Pflicht. Dazu kam dann noch Mantrailing 1x pro Woche, Unterordnung und das Spiel mit Artgenossen 4x pro Woche. Letztendlich hatten wir von 7 Tagen einen Ruhetag an dem ich dann lediglich die Unterordnung während des Spaziergangs übte. Ich fand es immer gut, wenn Leroy am Abend einfach nur noch in sein Bett fiel, weil er unendlich viel getan hatte, ob nun mental oder körperlich. Ich möchte nicht sagen, dass alles schlecht war. Nein, so war es gewiss nicht. Das Mantrailing hatte seinen Sinn. Leroy sollte etwas die Scheu von Fremden ablegen und Selbstbewusstsein tanken. Durch das Spiel im Rudel und unseren gemeinsamen Spaziergänge hat er sehr viel Soziales gelernt.

Das Problem bei uns war, dass wir keinen Kurs gebucht hatten „Ruheübungen“.

Erst als Melody dann einzog und mir die Hölle auf Erden während ihrer Pubertät bereitete, heute möchte ich sagen zurecht, hatte ich fast genug gelitten, um einen komplett neuen Weg einzuschlagen. Dazu muss ich ehrlicherweise sagen, dass Leroy zu diesem Zeitpunkt auch schon lange unausgeglichen war und erst als er dann in der Hundeschule mit einem Rüden mehrmals aneckte, begriff ich so langsam, aber auch noch nicht richtig, was da am laufen war. Wäre Melody parallel aber nicht so penetrant gewesen und hätte die Patella (Kniescheibe) Operation uns nicht auch noch zwangsgestoppt, hätte ich es wohlmöglich nie begriffen.

Manchmal benötigen Menschen nun mal mehrere Hinweise und teils wohl eher mit einem Vorschlaghammer.

Das Schlafbedürfnis war für die Menschen schon immer ein sehr spannender Forschungsbereich, wenn zum Teil auch mit echt perversen Experimenten, wie ihr später noch erfahren werdet. Eigentlich haben wir schnell begriffen, was Schlafmangel anrichten kann.

Im Zentrum von Schlafmangel stehen besonders Stress und ÜBER-Forderung. Beides verursacht, wenn es nicht geändert wird, eine körperliche Schwächung. Wir kennen das Gefühl und die Folgen aus unserem eigenen Leben, wenn wir uns müde und abgespannt fühlen. Wenn wir auf unseren Körper hören, vermindern wir den Stress oder aber unser Körper drückt selbst den Not-Aus und wir werden krank. Dauerhafter Stress schwächt unser Immunsystem. Die Folgen eines geschwächten Immunsystems sind mannigfaltig über Hauterkrankungen, Allergien oder sogar Krebs.

„Welche konkreten gesundheitlichen Konsequenzen können sich ergeben, wenn sich Stresshormone wie Cortisol über längere Zeit mit dem Abwehr- und Immunsystem des Körpers ins Gehege kommen und dieses blockieren?
Die wichtigste Auswirkungscheint die Fähigkeit des Körpers zu betreffen, Tumorzellen abzutöten, d.h. Tumorerkrankungen abzuwehren.
Ein erhöhtes Risiko für bestimmte Tumoren durch die Depression, wie es sich aufgrund wissenschaftlicher Studien tatsächlich belegen lässt (siehe unten), ergibt sich aus folgenden Umständen:
Eine der Hauptursachen für eine verminderte Tumorabwehr bei chronischem Stress und Depression dürfte in der bis zu 50-prozentigen Verminderung der Anzahl und Funktionstüchtigkeit der Natural-Killer-Zellen*** liegen, die innerhalb des Immunsystems eine einzigartige Spezialtruppe zur Bekämpfung von Tumorzellen darstellen.“
Quelle, Buch: Das Gedächtnis des Körpers, Seite 183 **

Ich finde es nur logisch, dass auch unsere Hunde ähnlich reagieren. Die Wissenschaft legt des Ruhebedürfnis von erwachsenen Hunden täglich mit 17-20 Stunden fest und für Welpen, Senioren und Kranke gelten 20-22 Stunden. Hierzu zählt auch dösen und gemeinsames herumhängen.

Wie viel Zeit bleibt am Tag denn dann für Aktivität? Es sind etwa 4 Stunden!

Der Tag hat 24 Stunden und der Hund sollte 20 Stunden davon schlafen, dösen oder ruhen, um dauerhaft gesund zu bleiben. Machen wir eine einfache Rechnung: 2x 60min, 1x 30min Gassigehen bedeuten 2,5 Std Beschäftigung, die nun schon nicht mehr zur Verfügung stehen. Wir haben noch 1,5 Std Zeit, die wir verplanen können.

Aber wir sollten beachten, dass auch Fressen, Autofahren, der ganz normale Alltagsstress hinzu gerechnet werden sollte.

Überlegt einmal selbst! Da kommen noch einige Minuten hinzu in denen euer Hund im Wachmodus ist. Zum Alltagsstress zählt das ganz normale „Kommen und Gehen von Personen“, spielende Kinder (sofern ihr welche habt), euer Büro betretende Mitarbeiter, Besucher, der Postbote usw….alles worauf euer Hund RE-agiert.

Hunde, die es nicht gelernt haben, bleiben im Wachmodus!

Ruhe wird erlernt.

Da unser Hund nicht über seinen Tag entscheiden kann, tragen wir die Verantwortung dafür es ihm zu ermöglichen.

Die Studienergebnisse eines Experiments zur Unterschreitung des Ruhebedürfnisses bei Menschen, welches zunächst an Mäusen, dann an Hunden und zuletzt an Menschen erfolgte unterteilt sich in mehrere Stadien:

Schlafentzug nach Stadium 1 bis 5:
1. Die Hunde reagieren überdreht.
2. Die Hunde sind unkonzentriert, grobmotorisch und fahrig.
3. Die Hunde sind nervös und schnell reizbar.
4. Die Hunde sind aggressiv und kränklich.
5. Die Hunde erkranken schwer oder werden chronisch krank.

Für mich sind diese Folgen von Schlafentzug absolut nachvollziehbar.

Das Schlafentzug sogar tödlich sein kann, zeigte ein Versuch von dem Wissenschaftler Allan Rechtschaffen. Seine Studie zum Thema Schlafentzug zeigt auf eine perfide Art und Weise die Folgen auf. Allan Rechtschaffen* von der University of Chicago wollte beweisen, dass kontinuierlicher Schlafentzug tödlich sein kann und setzte Ratten, unter Absturzgefahr, auf eine rotierende Scheibe über einem Wasserbecken. Sie mussten ständig balancieren und wurden ständig geweckt, sobald sie einschliefen. Das wurde anhand ihrer Gehirnwellen kontinuierlich überwacht. Sie starben innerhalb von 7 Tagen.

Das Experiment war grausam, darüber müssen wir an dieser Stelle nicht diskutieren. Aber ich möchte abschließend noch einmal dazu anzuregen darüber nachzudenken wie viel Ruhe wir unseren Hunden denn überhaupt gewähren….

…Wie oft kommt es denn bei uns vor, dass unser Hund auf einem Katapult steht und quasi schon darauf wartet wieder einmal abgeschossen zu werden?! Ihr meint, das passiert bei euch nicht? Ich glaube schon…

…Wie oft passiert es uns denn, dass unser Hund aus seinem Körbchen aufsteht und sich vor uns setzt, während wir vielleicht in der dritten Stunde im Internet surfen? Wie oft nehmen wir daraufhin sein Spieltau in die Hand und werfen es durch den Raum, weil unser Hund ja Aufmerksamkeit möchte?!

Kann es wirklich sein, dass wir Hunden nur durch wilde Bewegung gerecht werden können?

Wieso stehen wir nicht auf, lassen Internet Internet sein, um uns zu unserem Hund auf den Boden zu setzen und einfach mal gemeinsame Zeit zu genießen? Oder wieso nehmen wir nicht unseren Hund und setzen uns mit einer Decke in den Garten und massieren oder bürsten ihn einmal ausgiebig für einige Minuten? Wir können aber auch unsere Zeit gemeinsam genießen bei einem ruhigen Kurzspaziergang. Meine Betonung liegt hier ganz klar auf dem Wort GEMEINSAM. Ich meine an dieser Stelle keineswegs Spaziergänge bei denen der Hund 2 Meter vor uns spazieren geht. Wir könnten für uns und unseren Hund sogar etwas zu essen mitnehmen uns gemeinsam irgendwo setzen und einfach nur verweilen …

Es gibt so viele Ideen und eigentlich brauchen wir davon gar nicht so viele um unsere Hund auch anders glücklich zu machen als ihn tagtäglich via hitzigem Tobespiel zu powern wie einen Duracellhasen. Meine Erfahrung ist da wirklich, dass Hunde sehr schnell einen ruhigen Alltag gerne annehmen, wenn denn auch der Hundehalter da aus tiefstem Herzen dahinter steht.

Wie heißt es in einem Sprichwort so schön IN DER RUHE LIEGT DIE KRAFT.

Wie sind denn eure Erfahrungen? Wie ist eure Meinung dazu?
Teilt sie doch gerne mit uns.

*Institute for Laboratory Animal Research [ILAR], National Research Council (Hrsg.): Guidelines for the Care and Use of Mammals in Neuroscience and Behavioral Research. The National Academies Press, 2003, ISBN 978-0-309-08903-6, S. 121 (englisch, nap.edu): Sleep deprivation of over 7 days with the disk-over-water system results in the development of ulcerative skin lesions, hyperphagia, loss of body mass, hypothermia, and eventually septicemia and death in rats (Everson, 1995; Rechtschaffen et al., 1983)

**Das Gedächtnis des Körpers: Der 1951 geborene Joachim Bauer ist seit vielen Jahren in der molekular- und neurobiologischen Spitzenforschung tätig, unter anderem am Mount Sinai Medical Center in New York. Der in Psychoneuroimmunologie und Psychiatrie doppelt habilitierte Arzt und Wissenschaftler fasziniert durch seine populärwissenschaftlichen, gut verständlichen Buchveröffentlichungen auch ein breites, psychologisch interessiertes Publikum. „Das Gedächtnis der Körpers. Wie Beziehungen und Lebensstile unsere Gene steuern“ erschien 2002, „Warum ich fühle, was du fühlst. Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone“ im Jahr 2005. Der vielfach ausgezeichnete Forscher arbeitet heute als Universitätsprofessor in der Abteilung für Psychosomatische Medizin am Uniklinikum Freiburg.

***[Natural-Killer-Zellen: Pschyrembel, klinisches Wörterbuch= „die natürlich vorhanden und nicht das Resultat einer Immunantwort sind“]

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